matinée | der garten des geistes

lesung und gespräch mit marcel geisser, autor, zen-meister und gründer haus tao
musikalisch umrahmt von heinz fischer und mathias schiesser

das interesse an meditation und achtsamkeit bringt viele menschen wieder in kontakt mit sich selbst. sie hinterfragen das allgemeine streben nach erfolg und besitz, das oft im burnout endet oder zu existenzieller sinnlosigkeit führt.

im buch beschreibt marcel geisser fallen und sackgassen des spirituellen weges, die sich oft erst nach jahren zeigen und allzu leicht übersehen werden. marcel zeigt einen authentischen weg im umgang mit unseren emotionen auf https://findphonebase.ca , der echte befreiung real werden lässt.

marcel geisser greift auf 50 jahre eigene praxis und 35 jahre lehrerfahrung zurück, zum lehrer berufen von thich nhat hanh. in wolfhalden gründete er das meditationszentrum „haus tao“, wo wir, anja und urs, marcel im frühling kennenlernen durften. dass marcel geisser nun zu uns in die yogacompany kommt, empfinden wir als geschenk, das wir voller freude mit dir teilen.

sonntag | 24 november | 10.00 – 13.00

eintritt: dana (spende) | begrenzte platzzahl
rasche anmeldung empfohlen: info@yogacompany.ch | 062 777 00 40

jon kabat-zinn im interview

das sonderheft 2017 von „moment by moment“ ist einem mehrseitigen interview mit jon kabat-zinn gewidmet (zweisprachig, deutsch und englisches original). jon kabat-zinn ist der begründer der methode „mindful based stress reduction“ (mbsr). hier ein zusammenfassung.

jon kabat-zinn (jkz) erinnert zunächst daran, was achtsamkeit im kern ist. es geht nämlich um viel mehr als um eine persönliche wohlfühloase auf dem kissen. achtsamkeit muss auf einem ethischen boden wachsen, der von dem wunsch, keine gewalt anzuwenden *, und von selbstlosigkeit geprägt ist. all unser handeln muss von dort entstammen, und dadurch gekennzeichnet sein, dass wir den graben von „wir hier“ und „dort die anderen“ überwinden. dieses denken hatte evolutionäre vorteile, darum prägt es uns so stark. doch es bringt uns heute als menschheit nicht mehr voran, im gegenteil. und dieses ausschliessen ist gefährlich, da es fast immer mit einer abwertung der anderen einhergeht. dann ist es nur noch ein kleiner schritt, „den anderen“ leid anzutun: rassentrennung, sklaverei, ausbeutung, völkermord sind beispiele.
jkz führt aus, dass heute die asymmetrie in der verteilung von wohlstand, privilegien und chancen zunimmt und die gesellschaft vergiftet. sogar wir praktizierenden tappen in die exklusionsfalle, dann nämlich, wenn wir zwischen solchen, die achtsamkeit und solchen, die mitgefühl praktizieren, eine trennung sehen. denn achtsamkeit und mitgefühl gehören zusammen, wie die beiden flügel eines vogels.
weil es so leicht ist, in die exklusions-falle zu geraten, ist es so enorm wichtig, dass eine praktizierende person zunächst einsicht in die verbundenheit mit allen menschen entwickelt, und dann aus dieser einsicht heraus handelt. so können wir alle dazu beitragen, dass sich die achtsamkeit verbreitet. dass sie dringend verbreitet werden muss, daran zweifelt jfk nicht; als beispiel erwähnt er die hohe verbreitung von zutiefst destruktiven verhaltensweisen wie drogenkonsum, fettleibigkeit und selbstmord. in mbsr programmen erleben menschen, dann oft erstmals, dass sie so viel mehr als ihre schmerzen, ihre depressionen sind.
tatsächlich ist achtsamkeit heute in der mitte der gesellschaft angekommen. jfk warnt, dass nun auch menschen auf der achtsamkeitswelle reiten, die noch nicht einmal praktizieren. und tatsächlich, sagt er, ist die dauerhafte kultivierung von achtsamkeit eine grosse herausforderung **. aber eben, es geht nicht um die private entspannung, sondern darum, das menschliche leid, das eigene und das der mitmenschen, zu adressieren und uns davon zu befreien. und nun besteht auf einmal die gefahr, dass achtsamkeit so überall ist und banalisiert wird, dass ihre essenz vergessen geht. das würde uns für jahrhunderte dieser wunderbaren chance berauben, eine renaissance in der gesellschaft herbeizuführen.
bleiben wir also dabei, uns immer wieder zu fragen, „wer bin ich?“. und geben wir uns nicht mit den antworten zufrieden, sondern bleiben wir beim fragen.
auf die künstlichen intelligenz angesprochen, sieht jkz, dass diese schon heute viel von unserem leben beeinflusst und vereinnahmt. die tendenz beschleunigt sich, und es wir immer schwieriger, den versuchungen zu widerstehen. verankern wir uns also erneut im fragestellen „wer bin ich?“, zu unserem eigenen wohl und dem wohl aller lebewesen und dem planeten.
zum glück gibt es viele wissenschaftliche studien zu mbsr, und so können achtsamkeit und wissenschaft *** sich wirkungsvoll ergänzen. doch wissenschaft ohne ethisches fundament kann in die katastrophe führen, wie die geschichte zeigt. vielleicht brauchen wir eine moderne form der demokratie, die mitgefühl einschliesst? in der wir einander wieder zuhören, statt in echokammern meinungen zu äussern. buddha und jesus postulierten „liebe jeden menschen“. das ist nicht theorie, sondern eine kapazität, die wir alle haben. oft schläft sie. durch tägliche achtsamkeitspraxis erwecken wir sie. und wir gewinnen gelassenheit, verlieren ärger, angst und neid. doch wenn wir behaupten, wir seien bereits achtsam, dann sind wir genau das ziemlich sicher nicht. wirklich achtsamkeit brüstet sich nicht, sondern tut einfach, was getan werden muss. frag dich immer wieder „wer bin ich?“ und „wer stellt die frage?“


anmerkungen der autorin.
* die yogis nennen das „ahimsa“. ahimsa ist das erste und wichtigste ethische gebot im Yoga, siehe patanjali yoga sutra. für einen tieferen einstieg: essay zu den yamas und niyamas von anja.
** ob man denn so weit kommen könne, auf eine formale praxis zu verzichten, fragte einst eine mitschülerin unseren meditationslehrer. dieser hatte lange für den 14. dalai lama gearbeitet und antwortete darum“seine heiligkeit, der dalai lama, meditiert jeden tag mehrere stunden zu beginn des tages. wenn sogar er nicht auf eine formale praxis verzichtet, wie vermessen wäre es dann von mir?“
*** aus sicht des yoga ist die introspektion ein weg, zu gültigem wissen zu kommen, ebenso wie die beobachtung und die überlieferung aus zuverlässigen quellen. yoga sieht sich darum (auch, aber nicht nur) als wissenschaft.

der yoga doc

anschaulich und nachvollziehbar beschreibt der sportmediziner und yogalehrer dr. ronald steiner übungen, die zum therapeutischen nutzen in jede yogapraxis integriert werden können. gut strukturiert in vier hauptteile, geht er zunächst darauf ein, was yogatherapie ist und wie sie ihre wirkung entfalten kann. dieses kapitel ist unbedingt lesenswert! denn wer einfach nur in die nachfolgenden kapitel des buchs hineinschmökert, übungsrosinen herauspickt und dann ein bisschen und irgendwie herumübt, könnte enttäuschungen erleben.

die drei folgenden hauptteile sind den übungen für gesunde rücken, armen und beinen gewidmet. dabei gelingt es dem autor vortrefflich, in anschaulicher und präziser sprache zu vermitteln, worauf es ankommt. gleichzeitig erhält der interessierte leser auch anhaltspunkte zu den jeweiligen anatomischen grundlagen.

die entscheidung von autor und verlag, die lektüre leicht und einfach zu halten, ist der grösste vorteil des buches und gleichzeitig sein grösster nachteil. vorteil deshalb, weil das buch dadurch übersichtlich und leichtgewichtig bleibt, schnell durchgearbeitet werden kann, in jede tasche passt und so zum nützlichen begleiter für die praxis auf der matte wird. nachteil, weil die profunden kenntnisse des autors nur ansatzweise ins buch einfliessen.

als absolventin der modularen therapiekurse (mtc) von dr. ronald steiner ist dieses buch für mich die willkommene ergänzung des unterrichtsmaterials, da die wichtigsten übungen aus den mtcs hier übersichtlich und gut bebildert zusammengefasst sind.

für alle anderen leser bietet dieses buch einen hilfreichen einstieg ins gebiet der yogatherapie.

trotzdem nur vier von fünf sternen. der inhalt ist tipptopp und ein klarer fünfsterner. für umfang und aufmachung gibt’s hingegen abzüge. zum umfang: von einem autor mit so viel know how und erfahrung hätte ich mir ein drei- bis viermal so umfangreiches werk vorstellen können und auch gewünscht. „den steiner“ sozusagen, das standardwerk der yogatherapie. nun, was nicht ist, kann ja noch werden.
zur aufmachung: dicke pastellfarbige rahmen um die fotos und etliche tätowierte körperteile entsprechen wohl dem zeitgeist, sind aber einfach nicht mein geschmack. mit ausnahme von aufnahmen des autors wurden ausschliesslich weibliche modelle gewählt. schade eigentlich, denn yogatherapie funktioniert meines wissens auch bei männern. die typografie schliesslich kommt mit starken gegensätzen in überschrift und fliesstext daher, was auf mich unbalanciert wirkt. zwar ist der font des fliesstexts zierlich, doch dadurch auch für die augen älterer leser zu wenig kontrastreich und konturschwach.

fazit: ein wertvolles buch, das in jede gut sortierte yogabibliothek gehört.

riva verlag, münchen 2019, isbn 978-3-7432-0822-1, 176 seiten, 27.95 chf, bestellen bei lehmanns.ch

die wiederentdeckung der spiritualität

das neueste buch des biologen und bestsellerautors rupert sheldrake ist ein erstaunlich persönliches; beeinflusst von der freiheit des alternden menschen. sheldrake ist 76. es gefällt mir, wie er aufzeigt, wie er als junger wissenschafter zum atheisten geworden ist, auf seiner lebensreise vieles erforscht und ausprobiert hat und später zu religion und spiritualität zurückgefunden hat. besonders erhellend ist für mich das kapitel über die meditation und die natur des geistes. er legt darin dar, was die meditation ausmacht und führt durch eine kurze geschichte der meditation. und eben, er erzählt dabei auch von seinen persönlichen erlebnissen und erfahrungen. das ist auch deshalb wertvoll, weil meditation und säkulare formen davon, wie zum beispiel mindfulness based stress reduction (mbsr), zu einem massenphänomen geworden sind.

ich teile die auffassung von sheldrake, dass die westliche säkulare welt auch eine verarmte welt ist. so erstaunt es nicht, dass sheldrake sieben praktiken schildert, die – nach seiner auffassung – das leben vertiefen können. es sind dies das kultivieren von:

meditation (1), dankbarkeit (2), kontakt mit der mehr-als-menschlichen welt (3), unsere beziehung zu pflanzen (4), rituale und die präsenz der vergangenheit (5), gesang, sprechgesang und die macht der musik (6), pilgerreisen und heilige stätten (7).

für sheldrake ist klar, dass bewusstsein eine grössere reichweite hat, als dies die naturwissenschaft behauptet. für atheisten dagegen ist klar: ohne gehirn kein bewusstsein. das ist das atheistisch-religiöse spannungsfeld. auch sheldrake löst es nicht auf, aber er zeigt wege zur vertiefung des eigenen lebens in einer säkularen welt.

rupert sheldrake: die wiederentdeckung der spiritualität | 7 praktiken im fokus der wissenschaft | o.w.barth verlag 2018 | www.sheldrake.org